Kritik zu
„Grease“
– Aufführung des Literaturkurses der Jahrgangsstufe 12 unter Leitung von Frau Stanski und Herrn Welters.
von Elke Hochheimer
Für die Inhaltsangabe sei auf den überaus erfolgreichen Musical- Film mit John Travolta und Olivia Newton-John verwiesen.
„Everybody needs somebody to love“ – diese Erkenntnis singen, leben und tanzen die Schüler von „Rydell High“ und das ist, was den Zuschauern in mitreißender Manier in drei Stunden Aufführung geboten wird, nämlich das Balz-und Paarungsverhalten von Jugendlichen auf der Schwelle zu ihrem Leben als Erwachsene im Werterahmen der Fünfziger.
„Grease“ – das ist zum einen das Motorenöl, das Schmierfett, das testosterongeschwängert das männliche Rollenverhalten bestimmt. Der Wunsch nach der Verlängerung der eigenen Potenz, das eigene Fahrzeug, lässt Kenickie (Carsten Marcus) aus der Gang um Danny Zuko (Ben Bachmann) in den Ferien schuften und die Jungs sich mit Hingabe der schier unlösbaren Aufgabe widmen, das schrottreife Automobil zu pimpen. Die Kiste wird zum Mittel des Konkurrenzkampfes um Mädchen und Ansehen. Kenickies Ringen mit Pocke (Fabian Ringels) um Rizzo (Karolin Güntsch) drückt sich auch in der Auseinandersetzung um das bessere Auto aus, die sexuelleAnnäherung von Rizzo und Kenickie findet in Kenickies Schrottkiste statt. Das „Aufpimpen“ bietet auch den Anlass zu der herrlich gelungenen Nummer „Greased Lightning“, wo die Darsteller von Danny Zuko und seinen T- Birds (außer den schon Erwähnten Kisolo Biskup, Marius Rehmert, Luke Effenberger und Matthias Gandke) ihre tänzerischen und sängerischen Qualitäten unter Beweis stellen konnten.
Generalprobe vom 13.06.2012
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„Grease“ bedeutet zum anderen aber auch Schmalz, übertriebenes Gefühl, und auch davon gibt es reichlich, repräsentiert durch die einzelnen Mädchengruppen, aber auch beim Auftritt des Teen Angels (Thomas Müller) mit seinen vier Hilfsengeln (Julia Claßen, Eva Krause, Maren Prante, Minh-Thu Huynh) tropft es, wenn die Fünf Frenchy wieder auf den richtigen Pfad bringen.
Das Musical entwirft ein Bild der fünfziger Jahre, in denen männliche und weibliche Rollen noch einigermaßen klar definiert waren.
Es sind Typen, die das Musical auf die Bühne stellt, und das macht es den Schülern leichter, sich hemmungslos den erwünschten und geforderten Übertreibungen hinzugeben. Alle gängigen Stereoptypen zu jugendlichen Rollen werden bedient.
Da sind die T-Birds, die „Coolen“, stets in Schwarz und mit Lederjacke, deren Macho-Allüren sie stets mit gekonntem Hüftschwung schlendern lässt, und deren gegelte Haare immer wieder mit dem Kamm in Ordnung gebracht werden. Mädchen flachzulegen ist für sie ein Statussymbol, wobei die dabei betriebene Angabe von Anfang an als Aufschneiderei zu durchschauen ist.
Stellvertretend für die Sportler ist Tom (Philipp Czerwinski), dumm, aber attraktiv für die Mädchen dank seiner Muckis und seiner sportlichen Erfolge.
Als Mädchentypen gefallen die nervigen Cheerleaderinnen (Jenny Mäckel, Jessica Kraus als Patty, Kyra Siebmann und Alice Zychowicz), die ständig begeistert hüpfen und kreischen müssen. Die Pink Ladies, die ebenfalls weibliche Rollenklischees verkörpern, sind etwas individualisierter als die Cheerleaderinnen angelegt. Frenchy (Julia Braun) ist der Typ des Dummchens, dem die Beschäftigung mit den Utensilien weiblicher Verschönerung Verzückungsschreie entlockt, Marty (Alina Knops, Franziska Mones) hat zwar viele Freunde, hält diese aber durch bloße Briefkontakte auf Distanz – die Fotografien von prominenten Lehrern unserer Schule als Abbild ihrer Freundesschar erntete etliche Lacher- Jan (Isabell Gredig, Ricarda Köllges) ist das Moppelchen, das sich nicht von den Süssigkeiten fernhalten kann. Rizzo ist die toughe Kämpferin, die nur sich selber leben will und nur ihre eigenen Werte akzeptiert, womit sie von Anfang an aus der Ansammlung der Typen herausragt. Wunderbar, wie es Karolin Güntsch gelingt, die Kratzbürstigkeit, aber auch den Stolz und die Verletzbarkeit der Rolle zu treffen.
Eugene der Streber (Jonas Theelen) ist sozial inkompetent bezüglich Kleidung und Verhalten. Sein weibliches Pendant ist Kiddo (Kathrin Schürger, Lena Lingen).
Sandy (Marie Unzner, Lena Kubischek) ist das Unschuldslämmchen, das die Werte der prüden Fünfziger in Reinheit verkörpert.
Es ist erstaunlich, mit wie wenig Mitteln die Typisierung gelingt. Bei Eugene sind es die kurzen Hosen mit Hosenträgern und dem angeklebten Mittelscheitel, die ihn als Streber charakterisieren, kombiniert mit eckigen und ungelenken Bewegungen. Die Diskrepanz zu seinem Ausbruch am Schluss, „I’m a sex machine“, sorgte denn auch für etliche Lacher. Die T-Birds demonstrieren durch den ständigen Griff zu Revers und Kragen ihrer Lederjacken und zum Kamm ihr Machotum. Sandys reine Unschuld wird schon durch die Blumenschleife im Haar festgelegt. Dazu kommen ihre fehlenden Erfahrungen mit Sekt und Zigaretten. (Ach, was waren die 50-ger Jahre doch noch unschuldig, als Sekt und Tabak noch als Gipfel der Verruchtheit bei Jugendlichen galten!) Die Direktorin (Alma Magjuni) mit ihrer schusseligen Sekretärin (Dana Claßen) im Schlepptau war durch grauen Dutt, wadenlangen Rock und vernünftigen Schuhen als altjüngferliche Autoritätsperson gekennzeichnet, dem schmierigen Moderator Vince Fontaine (Fabian Röpcke) langten die Glitzerjacke und eine ölige Stimme zur Charakterisierung.
Innerhalb dieser Ansammlung von Typen sind es die vier Hauptpersonen Danny, Sandy, Rizzo und Kenickie, die durch die Handlung zu Personen werden und zu einem Wandel fähig sind, natürlich durch die Hauptriebkraft der Menschheit, der Liebe. Alle Vier sind willens und fähig, sich auf ihren Partner und die anderen Bedürfnisse einzustellen. Die Liebe bügelt die Auswüchse der Rolle glatt – Sandy war zu brav, Rizzo zu unabhängig, Danny zu sehr auf sein Image bedacht, Kenickie zu sehr der reine Aufreißer. Am Ende haben sich alle Beteiligten zu Paaren gefunden und sind froh und glücklich, mit Ausnahme von Pocke und seinen Skorpions (Luca Alonso Hansen, Patrick Palmen, Malte Sähn, Dominik Vaeßen), aber irgendwelche Bösewichte müssen ja übrigbleiben.
Es ist den beiden Leitern der Aufführung, Frank Welters für die Musik und Alexandra Stanski für das Spielen, in überragender Weise gelungen, die Schüler zu einem Team zu vereinen, das der Aufgabe des Spielens, Singens und Tanzen bestens gewachsen ist. Laut Aussage der Schüler hat es nie schlechte Laune bei den Proben gegeben. Offensichtlich sind die Beteiligten alle wahre Motivationskünstler, denn die Mammutaufgabe, die Band, das Spielen, das Singen, das Tanzen zu üben und zu koordinieren hat mehrere Probenwochenenden und Feiertagsproben über den normalen Unterricht hinaus gekostet. Selbst nach den Abiparties waren die Akteure brav um 10 Uhr am nächsten Tag auf der Matte.
Alle Rollen sind hervorragend besetzt, wohl auch das Ergebnis der Auditions, denen sich die Akteure zu stellen hatten.
Die Choreographie der Tanzszenen wurde im Wesentlichen von Frau Stanski geleistet, aber auch die Schüler waren mit eigenen Einfällen beteiligt. Das Ergebnis ist bemerkenswert. Trotz der Beschränkungen durch die kleine Bühne und der Unerfahrenheit der Schüler kamen Szenen heraus, die das Publikum vor Begeisterung mitrissen, z.B das schon erwähnte „Greased Lightning“, aber auch der „Hand-Jive“ beim Tanzwettbewerb in der Schule, in dem vor allem Ben Bachmann und Cara Stock als Cha Cha glänzten und Carsten Marcus, oder auch das Duett von Danny und der „neuen“ Sandy, „You’re the One that I want.“ Zwar ging unser Danny nicht vor Begeisterung auf die Knie wie weiland John Travolta. Dafür fehlte auch der Raum, aber die Begeisterung füreinander wurde tänzerisch überzeugend umgesetzt. (Wir glauben Marie Unzner doch eher die selbstbewusste Sandy als die Unschuld vom Lande.)
Der Gesang war von Herrn Welters hervorragend einstudiert, Karolin Güntsch und Marie Unzner vor allem waren ihren Rollen gut gewachsen.
Ein guter Teil des tollen Eindrucks wurde durch die Arbeit der Band im Hintergrund geleistet. Lars Falkenberg am Bass, Yanick Fischer (E-Gitarre), Micha Menzel (Schlagzeug), Florian Vonderau (Keyboard) zusammen mit Herrn Welters am Klavier spielten professionell, als ob sie nie etwas anderes getan hätten. Ihre Solonummern, z.B der Jailhouse Rock, brachten etliche Füsse zum Wippen.
Auf der Bühne wippten die von Frau Stanskis Mutter genähten weiten Röcke und Petticoats und erzeugten ein authentisches 50-ger Feeling. Die aufwändige Bühnendekoration, die etliche Umarbeitarbeiten (Julia Mies, Marcel Kürvers) nötig machten, war das Ergebnis der Zusammenarbeit mit dem Bildungszentrum MG. Weitere Sänger im Hintergrund waren Lisa Kuhlenbeck und Annika Klauth. Nimmt man noch die Leistung des Technik-Teams (Simon Fruh, Martin Wienandts, Theresa Zimmermann, Sina Layeghi, alle aus der 9a, dazu Malte Strunk aus der EF) dazu, Wiebke Ringels Plakatdesign, dann sieht man, wieviele Leute mehr als erfolgreich daran gearbeitet haben, um uns einen so tollen Abend zu bescheren. „Hin und Weg“ sei sie, sagte eine Zuschauerin, „Superaufführung“, „Ich bin restlos begeistert“, waren andere Stimmen. Ein Zuschauer zollte den Schülern sogar mehr Respekt als dem Original an einigen Stellen, und zwar immer dann, wenn die Schülerschaft Zusammenhalt und und Gemeinschaftsgeist demonstriert haben. Ich denke, dieses Gefühl einer gemeinsam erbrachten Leistung werden die Schüler auch für sich selber verinnerlichert haben. Bestimmt bleibt noch mehr übrig als nur die neuen Sprüche „I’m a sex machine“ oder „Hey, Sandy“. Wir, die Zuschauer, bedanken uns jedenfalls bei den Beteiligten für diesen genussvollen Abend.